Europäisches Widerrufsrecht

Europäisches Widerrufsrecht

Aktuelle Informationen

Aufgrund eines Gerichtsurteiles des Europäischen Gerichthofes vom 17. Mai 2023 (Az.: C-97/22) erhalten wir aktuell viele Anfragen in Bezug auf die Möglichkeit des Widerrufs von Handwerksleistungen aus dem europäischen Verbraucherrecht. Im Folgenden wird daher kurz das Urteil erläutert und dann der rechtliche Hintergrund und die Folgen daraus dargestellt.

Die Klägerin, die sich die Forderung von einem Handwerksunternehmen hatte abtreten lassen, klagte gegen einen Kunden, der mündlich im Oktober 2020 einen Vertrag über die Erneuerung der Elektroinstallationen seines Hauses geschlossen hatte, ohne über sein Widerrufsrecht nach Art. 246a Abs. 2 EGBGB belehrt worden zu sein. Das Unternehmen erbrachte die Leistungen handwerksgemäß und stellte diese in Rechnung. Der Kunde zahlte nicht und widerrief den Vertrag 5 Monate nach der Beauftragung. Der Europäische Gerichtshof entschied diese Frage zugunsten des Verbrauchers. Er stellte klar, dass die fehlende Widerrufsbelehrung auch bei Verträgen (bspw. Bauverträgen), die außerhalb von Geschäftsräumen des Unternehmens geschlossen werden, dazu führt, dass dem Unternehmer keinerlei Zahlungs- oder Wertersatzansprüche für erbrachte Dienstleistungen gegen den Kunden zusteht.

Zwar sieht das Bürgerliche Gesetzbuch im Falle des Widerrufs eines Vertrags unter Umständen die Erstattung von Wertersatz zugunsten eines Unternehmens vor, lässt diese Pflicht jedoch entfallen, wenn der Unternehmer nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht belehrt hat (§ 357a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB).

Bereits seit dem 13. Juni 2014 existiert das Widerrufsrecht für Verbraucher in seiner heutigen Form. Dieses wurde mit der europäischen Modernisierungsrichtlinie am 28. Mai 2022 national erweitert. Es umfasst ein Widerrufsrecht für u.a. Fernabsatzverträge (§ 312c BGB), außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge (§ 312b BGB) sowie Verbraucherbauverträge (§ 650i Abs. 1 BGB).

Solche Verträge, die unter den Anwendungsbereich des §§ 312, 312a BGB fallen, unterliegen allgemeinen Pflichten. Insbesondere die für Handwerksberufe relevanten §§ 312b, c BGB unterliegen gem. § 312d BGB speziellen Informationspflichten, die in § 246a EGBGB normiert sind. Gemäß § 246a EGBGB muss ein Unternehmer einen Verbraucher unter anderem über ein bestehendes Widerrufsrecht belehren, wenn ihm dieses nach §§ 312g Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB zusteht. Ein solches Widerrufsrecht besteht regelmäßig bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen. Ein Geschäftsraum ist z.B. kein Messestand eines Unternehmens (BGH – Urteil v. 10. April 2019 – VIII ZR 82/17). Eine, insbesondere für das Handwerk wichtige Ausnahme, ergibt sich aus §§ 312g Abs. 2 Nr. 11, 356 Abs. 4 Nr. 2, 3 BGB. Hier erlischt das Widerrufsrecht bei einem Vertrag, der den Verbraucher zur Zahlung eines Preises verpflichtet, mit der vollständigen Erbringung der Dienstleistung, wenn der Verbraucher vor Beginn der Erbringung:

  1. ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer mit der Erbringung der Dienstleistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt,
  2. bei einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag die Zustimmung nach Buchstabe a) auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt hat und
  3. seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass sein Widerrufsrecht mit vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer erlischt.

Zudem erlischt das Widerrufsrecht gemäß § 356 Abs. 4 Nr. 3 BGB, wenn bei einem Vertrag, bei dem der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen, um Reparaturarbeiten auszuführen, mit der vollständigen Erbringung der Dienstleistung, wenn der Verbraucher die in Nummer 2 Buchstabe a und b genannten Voraussetzungen erfüllt hat.
Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage bei ordentlicher Belehrung (§ 355 Abs. 2 BGB) und bei nicht erfolgter oder unzulässiger Belehrung zwölf Monate und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB). Rechtsfolge eines bei dem Unternehmen eingegangenen Widerrufes ergibt sich aus § 357 BGB: die empfangenen Leistungen sind spätestens nach 14 Tagen Zug-um-Zug zurückzugewähren. Sollten die per Dienstleistungsvertrag erbrachten Leistungen zum Widerrufszeitpunkt bereits gemäß §§ 93, 94 BGB wesentliche Bestandteile von z.B. einem Grundstück geworden sein, so besteht ein Kostenübernahmerisiko, ähnlich wie im Urteil des EuGH.
Was für Folgen ergeben sich nun aus diesem Urteil und aus dem Gesetzeswortlaut?

Schließen Handwerksunternehmen mit Verbrauchern Verträge außerhalb ihrer Geschäftsräume oder via Fernabsatz, müssen sie über die ggf. bestehenden Widerrufsrechte aus dem BGB belehren. Tun sie dies nicht, riskieren sie, wie bereits oben beschrieben, den Totalverlust ihrer Vergütungsansprüche für bereits erbrachte Dienstleistungen.

Wurden die Dienstleistungen vollständig, unter Beachtung der oben genannten Voraussetzungen erbracht, bevor das Widerrufsrecht ausgeübt wurde, so erlischt der Vergütungsanspruch nicht. Sollte das Widerrufsrecht bei erfolgter ordnungsgemäßer Belehrung und Erfüllung der Informationspflichten ausgeübt werden und schon (Teil-)Leistungen erbracht worden sein, so kann gemäß § 357a BGB Wertersatz für die bereits erbrachten Leistungen geltend gemacht werden. Nicht unerheblich ist es bei der Forderung von Wertersatz jedoch, was für Leistungen bereits (vollständig) erbracht wurden und welche nicht.
Musterbelehrungen finden Sie im Internet beim ZDH zur freien Verfügung.