Eutin. Er hat schon Leute durch einen Wassergraben flüchten sehen, wenn er auf die Baustelle kam. Er spricht von Putzerkolonnen, die man sensibel behandeln muss, damit niemand im Affekt grob wird. Er sagt: „Manche fühlen sich schnell bedroht, dass ist nicht immer spaßig.“ Martin Boesmann sitzt in seinem Büro in Eutin und erzählt von heiklen Kontrollsituationen frühmorgens auf Baustellen in Neumünster, Plön und Ostholstein. Sein Spezialgebiet ist es, Schwarzarbeit aufzudecken.
Als Mitarbeiter des Fachdiensts Sicherheit und Ordnung ist er Teil der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe zur Bekämpfung der Schwarzarbeit der Kreise Ostholstein, Plön und der Stadt Neumünster. Boesmann kennt die Tricks und Trends, berichtet von spannenden Einsätzen vor Ort. Einmal in der Woche rücken er und seine Kollegen aus. Dann untersucht das kleine Team zwischen 40 und 50 Baustellen in der Region daraufhin, ob alle Auflagen erfüllt sind. Im Jahr werden so bis zu 2000 Fälle geprüft. „Klassisch ist der Bau eines Einfamilienhauses“, sagt Boesmann. Dort kommt im Hochbau am häufigsten Schwarzarbeit vor. Im Bereich Tiefbau spüren die Fahnder oft bei Parkplatz-Projekten Unregelmäßigkeiten auf.
Zuerst werden die Personalien der auf der Baustelle anwesenden Leute kontrolliert. Grundsätzlich müssen alle Bauvorhaben vorher angemeldet werden: Das ist die Baubeginn-Anzeige beim zuständigen kommunalen Bauamt. Ausnahmen gibt es nur bei kleineren Sanierungsmaßnahmen, beispielsweise einer Dachumdeckung. „Ganz entscheidend ist bei bestimmten Tätigkeiten der Eintrag in die Handwerksrolle“, erläutert Boesmann. Ein Delikt, auf das die Fahnder häufig stoßen: Der Eintrag muss nach der Handwerksordnung, die im Bundesrecht verankert ist, für insgesamt 41 Berufe des sogenannten Vollhandwerks zwingend erfolgen. Fehlt er, stimmt etwas nicht – der Anfangsverdacht auf Schwarzarbeit ist da.
Auf der Baustelle kann es in solchen Momenten schwierig werden – beispielsweise dann, wenn gerade der Putz in der Maschine angerührt wird und die Arbeiter eigentlich schnell und effektiv arbeiten müssten, um die Masse auf der Wand zu verteilen. „In solchen Situationen ist es schon sehr wichtig, deeskalierend zu wirken“, berichtet Boesmann. Sonst könne es schon einmal, unter Zeit- und Kostendruck, zu „Handlungen im Affekt“ gegen die Ermittler kommen. Der Zivilfahnder: „Haben wir vorab bestimmte Informationen zur Baustelle, ziehen wir bei der Kontrolle von vornherein Polizei und Zoll hinzu.“
In etwa 20 bis 30 Prozent der Fälle von Schwarzarbeit ist Boesmann zufolge dann kein Gewerbe angemeldet. Das Team prüft außerdem, ob der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn gezahlt wird und die Arbeits- und Ruhezeiten eingehalten werden. Ergibt sich ein Verdacht auf Dumpinglöhne? Dazu werden die Arbeitgeber abgefragt. Oder handelt es sich um Leistungsbetrug, weil der Arbeiter auf der Baustelle gleichzeitig als Kunde des Jobcenters gefördert wird? Alle diese Informationen versucht die Gemeinsame Ermittlungsgruppe möglichst schnell zu verarbeiten, um einen Gesamtüberblick zu bekommen.
Auf größeren Baustellen ist das natürlich entsprechend aufwändiger. Besonders dann, wenn sich nach und nach das Bild eines verschachtelten Systems zwischen Bauherr, Generalunternehmer und Subunternehmern ergibt. Noch mal komplexer wird es, wenn die Daten nicht nur von Arbeitern aus Deutschland, sondern ganz Europa kontrolliert werden müssen. Immerhin, auf dem Bau gilt generell die Ausweispflicht – jeder muss sich den Fahndern gegenüber immer mit gültigen Papieren ausweisen können. Boesmann: „Man kann aber nicht sagen, dass in Bezug auf Schwarzarbeit von einer bestimmten Nationalität ein erhöhtes Risiko ausgeht.“ Auch wenn bestimmte Gewerke und Tätigkeiten mittlerweile einen hohen Anteil bestimmter Landsleute haben; Eisenflechter beispielsweise stammen heute vor allem aus Rumänien und Bulgarien.
Ist der Einsatz auf der Baustelle erledigt, beginnen oft erst die weiterführenden Ermittlungen. Bei einem begründeten Verdacht auf Schwarzarbeit fordern die Fahnder für gewöhnlich die Geschäftsunterlagen der letzten drei Jahre der beteiligten Unternehmen an. Auftragsunterlagen, Materialausgaben, Lohnabrechnungen – eine Vielzahl von Akten muss gründlich geprüft werden. Am Ende wird die Schwarzarbeit, je nach Schwere des Delikts, mit einem Bußgeld, einer Gewerbe- oder sogar einer Handwerksuntersagung geahndet.
Übrigens: Wer im Handwerk organisiert ist, hat es leichter, sich im Paragrafendschungel zurechtzufinden und so nicht aus Unkenntnis geltendes Recht zu verletzen. Bei allen Fragen rund um die Handwerksordnung ist die Kreishandwerkerschaft Mittelholstein ein kompetenter Ansprechpartner. Kontakt unter Telefon 04551 9968-0 sowie im Internet auf www.handwerk-mittelholstein.de.
Die Ermittlungsgruppe zur Bekämpfung der Schwarzarbeit ist wie folgt zu erreichen:
Kreis Ostholstein, Fachdienst Sicherheit- und Ordnung, Ermittlungsgruppe Schwarzarbeit, Lübecker Straße 37 – 41, 23701 Eutin, Telefon: 04521-788-699, Fax: 788-96-699, E-Mail: schwarzarbeit@kreis-oh.de
Text: Thorge Rühmann